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Marionetten in der Gewaltspirale

Erstellt von Pressestelle |

Gedenktag: Frauen kämpfen gegen männliche Aggression

Keiner will hinsehen: Zu dieser maskenhaften Frauengestalt, die da wie eine Marionettenpuppe an dünnen Nylonfäden hängt. An kaum sichtbaren Schnüren, die im Hintergrund von einem Mann gezogen werden. Einem Aggressor, der die Frau augenfällig in seiner Gewalt hat. Weil die Frau Angst hat. Angst vor seiner Gewalt. Alles ist nur gespielt an diesem trüben Vormittag auf dem Memminger Schrannenplatz. Aber viel zu oft ist es Realität, wissen die Spielenden von Frauennetzwerk und Frauenhaus. Deswegen nutzen die vier Aktivistinnen den Gedenktag „Nein zu Gewalt gegen Frauen und Kinder“, um auf dieses todgeschwiegene Thema aufmerksam zu machen.

Passanten am Schrannenplatz machen einen großen Bogen um die Agierenden. „Im eigenen Heim leben Frauen am gefährlichsten. Aber hören will das niemand“, weiß die Memminger Frauenbeauftragte Claudia Fuchs, deren Arme an feste Schnüre gebunden sind. „Bei mir saßen schon Frauen im Nachthemd vor der Bürotür, die von zu Hause geflohen waren.“

Zuflucht finden Eingeschüchterte, Erniedrigte oder Misshandelte im Memminger Frauenhaus, das laut seinen Mitarbeiterinnen „aus allen Nähten platzt“, wie Marion Stockner-Stengele und Elisabeth Egg vom Verein „Zum Schutz misshandelter Frauen und Kinder“ betonen. „Aber nicht nur in Memmingen ist das so. Im ganzen Freistaat sind die Frauenhäuser proppenvoll.“

Voll mit Frauen, die von ihren Männern wie Marionetten gesteuert werden und in ihrer Isolation und Abhängigkeit viel Überwindung brauchen, um sich aus den Fäden ihres Aggressors zu befreien.

Mut und Hoffnung wollen Egg und Stockner-Stengele verzweifelten Frauen schenken. Unweit des Marionettenspiels verteilen sie Visitenkarten mit einer Notrufnummer des Frauenhauses. „Meistens sind gerade die, die es betrifft, uns gegenüber am verschlossensten“, erklärt Stockner-Stengele. „Aber mit jedem verteilten Kärtchen haben wir schon etwas gewonnen.“ Und helfen damit vielleicht einer Frau aus ihrem gewaltdiktierten und fremdbestimmten Dasein.

„Abhängigkeit spielt in dieser Gewaltspirale eine große Rolle“, erklärt Claudia Fuchs, die um den Hals ein Pappschild trägt mit der Aufschrift: „Ich häng so an ihm.“

„Es ist Abhängigkeit gepaart mit Angst, die die Opfer von Gewalt schweigen lässt. Angst, die Kinder zu verlieren. Angst vor der Zukunft. Existenzangst“, zählt Isolde Stock vom Memminger Frauennetzwerk auf. Hinzu komme Scham: „Die Opfer schämen sich und meinen `Ich bin ja selbst schuld!´.“ Selbst schuld, dass sie geschlagen werden. Weil sie nicht gut genug seien. Weil das Haus wieder mal nicht aufgeräumt ist. Weil die Kinder schon wieder so einen Höllenlärm machen oder weil das Essen wieder nicht pünktlich auf dem Tisch steht.

„Die Frauen müssen sich aus ihrem fremdbestimmten Dasein befreien und Hilfe suchen“, betont Fuchs. „Bei einem gebrochenen Bein holt man sich ja schließlich auch Hilfe.“

Eine junge Fußgängerin, die bereits Unterstützung vom Memminger Frauennetzwerk empfangen hat, bleibt bei den Agierenden stehen. Sie hat ihren Erzählungen zufolge am eigenen Leib erfahren, wie schwierig es ist, aus dem gewalttätigen Spiel auszubrechen. Jetzt will sie andere ermutigen, die Fäden der Fremdbestimmtheit zu durchtrennen. 

Ein Spiel, aber laut Experten allzu oft Realität: Eine Frau (hier gespielt von der Memminger Frauenbeauftragten Claudia Fuchs) lässt sich wie eine Marionette von ihrem gewaltbereiten Mann steuern (hier gespielt von Isolde Stock vom Frauennetzwerk). Fotos: Häfele/Pressestelle Stadt Memmingen