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„Grundgesetz der Heimatvertriebenen“ wird 60

Erstellt von Pressestelle |

BdV und Stadt gedenken Unterzeichnung der Charta der Heimatvertriebenen

Mit einer Gedenkstunde in der Rathaushalle erinnerten Stadt und Bund der Vertriebenen (BdV) mit Repräsentanten aus dem öffentlichen Leben an die Unterzeichnung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen vor sechzig Jahren am 5. August 1950 in Stuttgart. Die zahlreichen Redner erinnerten an das Unrecht und Leid, das den Heimatvertriebenen widerfuhr, aber auch an den Aufbauwillen und Fleiß, den sie in die neue Heimat mitbrachten. „Sie haben in Memmingen eine neue Heimat, Memmingen hat mit Ihnen viel gewonnen“, sagte Bürgermeisterin Claudia Knoll in ihrem Grußwort in Vertretung des verhinderten Oberbürgermeisters Dr. Ivo Holzinger zu den versammelten Heimatvertriebenen und deren Nachkommen.

Memmingen habe den Heimatvertriebenen viel zu verdanken. Das brächte auch der Gedenkstein in der Grimmelschanze, der auf einer Idee Rudolf Machnigs beruhe, zum Ausdruck. 1993 hat der Memminger Bürger Erich Häring den Stein gespendet und von der deutsch-böhmischen Grenze nahe die Stadthalle verbringen lassen. Die Stadt habe nun die Schrift des Gedenksteins verstärken und die damalige Festschrift zur Weihe und Übergabe nachdrucken lassen, berichtete Knoll. In seiner Ansprache äußerte der Orts- und Kreisvorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV) und Bundespressereferent der Schlesischen Landsmannschaft, Armin M. Brandt, den Wunsch an die künftigen Generationen, diese und andere Gedenkstätten zu ehren und das kulturelle Erbe der deutschen Heimatvertriebenen nicht zu vergessen.

„Liebe Landsleute“ begrüßte Bundestagsabgeordneter Stephan Stracke die rund 100 Gäste, größtenteils Heimatvertriebene und deren Nachkommen. Seine Familie selbst komme aus der Nähe von Gablonz, berichtete Stracke. „Ich wünsche mir, dass die kulturelle Identität gewahrt wird“, so der Abgeordnete. Dies sei allein schon aufgrund der Wertschätzung deutscher Geschichte erforderlich. „Ohne Heimat sein heißt Leiden“, zitierte Landtagsabgeordneter Josef Miller den russischen Dichter Fjodor Michailowitsch Dostojewski. Zudem hätten die Heimatvertriebenen daran zu leiden gehabt, dass sie zu Leuten kamen, „die sie nicht haben wollten“. Den Menschen hier sei es nach dem Krieg ebenfalls schlecht gegangen, erinnerte sich Miller aus eigener Kindheit. Doch fanden die Menschen schnell zueinander, wie stellvertretender Landrat und Bürgermeister Werner Birkle am Beispiel der eigenen Familie schilderte. Sein Vater, ein Einheimischer, heiratete trotz allen Unkenrufen eine Heimatvertriebene aus dem Kreis Freudenthal im Sudetenland. „Bub, Du bist ein veredelter Schwabe“, habe sein Großvater immer dazu zu sagen gepflegt.

Große Anerkennung zollte Birkle den Verfassern der Charta. Sie hätten sich auf einer Seite auf das Wesentliche beschränkt, anders als heute manch europäische Richtlinie mit banalerem Inhalt. „Das waren noch Menschen, die gewusst haben, was Sie wollen. Ich gratuliere Ihnen, dass Sie solche Menschen in Ihren Reihen hatten“, so Birkle. Mit einem geschichtlichen Abriss blickte Brandt in die deutsche Geschichte 1945 bis 1950. Die Charta der Heimatvertriebenen sei bewusst fünf Jahre nach dem Potsdamer Abkommen unterzeichnet worden. In diesem legitimierten die Allierten die Umsiedlung, die spätere Vertreibung, der über 14 Millionen Deutschen aus Ost- und Südosteuropa. Am Tag nach der Unterzeichnung in Bad Cannstatt sei die Charta bei einer Massenkundgebung vor 150 000 Heimatvertriebenen in Stuttgart verkündet worden. Im Memminger Stadttheater sei die Charta auf einer Veranstaltung am 12. August verkündet worden. Das „Grundgesetz der Heimatvertriebenen“ habe für den BdV noch heute Bestand. Die Heimatvertriebenen verzichteten auf Rache und Vergeltung, sprachen sich aber auch für ein Recht auf Heimat aus. „Wir werden durch harte, unermüdliche Arbeit teilnehmen am Wiederaufbau Deutschlands und Europas“, heißt es ebenfalls in der Erklärung, die Johanna Mory von der Landsmannschaft Schlesien im Wortlaut vortrug. „Das taten die Heimatvertriebenen auch in Memmingen“, lobte Knoll. Mit viel Tüchtigkeit hätten sie Unternehmen aufgebaut, die noch heute Bestand hätten.

Gerlinde Koppitz von der Sudetendeuschen Landsmannschaft trug ergänzend die Deklaration von 1960 vor. Der Musikverein Volkratshofen umrahmte die Gedenkstunde musikalisch und wahrte mit Liedstücken wie „Schöner Böhmerwald“ und „Grüße aus dem Egerland“ den Bezug zum kulturellen Erbe der Vertriebenen.

 

Aufgrund der großen Nachfrage wurden weitere Exemplare der Festschrift nachgedruckt. Sie liegen im Eingangsbereich des Verwaltungsgebäudes Welfenhaus zur kostenlosen Mitnahme aus.

 

Mit einer Gedenkstunde erinnerten Heimatvertriebene und ihre Nachkommen gemeinsam mit Ehrengästen an die Unterzeichnung der Charta der Heimatvertriebenen vor 60 Jahren. Foto: Pressestelle der Stadt Memmingen.