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„Gemeinsame Erinnerungen sind manchmal die besten Friedensstifter“

Erstellt von Pressestelle |

Gäste aus Israel in Memmingen – Ausstellungseröffnung, Empfang, Gedenken

 

Esther Geva, Raya Hoffmann, Eli und Issacher Berman, Nachfahren des jüdischen Käsegroßhändlers Wilhelm Rosenbaum, reisten aus Israel in die Heimatstadt ihrer Großeltern an. Das Wohnhaus der Familie Rosenbaum stand auf dem heutigen Schulgelände des Memminger Vöhlin-Gymnasiums. Im Rahmen einer von der Schule gestalteten Gedenkfeier enthüllten die Gäste zusammen mit Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger eine Erinnerungstafel. Bei einem Empfang im Rathaus trugen sich die jüdischen Ehrengäste in das Goldene Buch der Stadt Memmingen ein. Zum Rahmenprogramm des Besuchs zeigt das Kulturamt Bilder des Malers Alexander Dettmar unter dem Titel "Painting to Remember – Zerstörte deutsche Synagogen“.

In Memmingen war es der 19. Mai 1942. Die NS-Propaganda gab an diesem Tag „den Wegzug“ des letzten jüdischen Bürgers aus der Stadt bekannt. 70 Jahre danach ist allen bewusst, dass dieser Weggang für 115 Männer, Frauen und Kinder ein Todesurteil war. Und neben den Menschen sollte auch die Erinnerung an sie verschwinden. Gegen dieses Vergessen und anlässlich des Besuches der Nachfahren der Familie Rosenbaum werden im Antoniersaal Bilder von in der Reichskristallnacht zerstörten Synagogen gezeigt.

Anhand von Fotos, Bauzeichnungen und Zeugenberichten rekonstruierte der Künstler Alexander Dettmar die zerstörten Synagogen und jüdischen Gemeindehäuser aus ganz Deutschland, darunter auch eine Gemälde im Gedenken an die Memminger Synagoge am Schweizerberg. „Vor über 100 Jahren, am 8. November 1909 wurde in Memmingen die neue Synagoge eingeweiht. Sie war groß hoch aufragend und stand selbstbewusst direkt am Zugang zur alten Reichsstadt“, rief Kulturamtsleiter Dr. Hans-Wolfgang Bayer bei der Vernissage in Erinnerung. In der Reichspogromnacht vom 9. auf 10. November 1938 seien in Deutschland mehr als 1 000 jüdische Gotteshäuser in Brand gesetzt worden. Alexander Dettmar habe es sich zum Ziel gesetzt, die durch den deutschen Vernichtungsakt unwiederbringlich verlorenen Orte jüdischen Glaubens und jüdischen Geisteslebens erneut ans Licht zu bringen und unserer Vorstellung zurückzugeben, so der Kulturamtsleiter weiter. Mit Rücksicht auf die anwesenden Gäste aus Israel in englischer Sprache blickte Künstler Dettmar auf die Entstehungsgeschichte seiner Werke zurück. Er habe mit seinen Bildern etwas zur großen deutsch-jüdische Verschwisterung beitragen wollen. Dass heute jüdische Gäste anwesend seien wertere der Künstler als „unglaubliche Fähigkeit zur Versöhnung“.

Mit einem Festakt im Vöhlin-Gymnasium wurde die Gedenktafel für die „Villa Rosenbaum“ an nächsten Tag enthüllt. „Gemeinsame Erinnerungen sind manchmal die besten Friedensstifter“, zitierte Oberstudiendirektor Burkhard Arnold den Schriftsteller Marcel Proust. Ganz besonders freute sich der Schulleiter, mit Esther Geva, Raya Hoffmann, Eli und Issacher Berman die Enkelinnen und Enkel des Wilhelm Rosenbaums unter den rund 80 Gästen begrüßen zu dürfen: „Unsere Schule ist mit der Familie Rosenbaum verbunden“. Das Wohnhaus und die Geschäftsräume standen auf dem Gelände der Schule und Mitglieder der Familie seien hier in die Schule gegangen, blickte Arnold zurück.

Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger verwies auf die Notwendigkeit, die Villa Rosenbaum Mitte der 70er Jahre abzubrechen: „Nur so war es möglich, die notwendigen Gebäude für die Schule unterzubringen“. Das Stadtoberhaupt zeigte auf, dass es dem jüdischen Käsegroßhändler Wilhelm Rosenbaum nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager (KZ) noch rechtzeitig gelungen sei, Nazi-Deutschland zu verlassen. Der Oberbürgermeister dankte dem ehemaligen Stadtrat Erich Häring, der im Auftrag des seinerzeit schon pensionierten Oberbürgermeisters Dr. Heinrich Berndl in Israel den Kontakt zur Familie Rosenbaum wieder hergestellt und die Nachfahren nach Memmingen gebracht habe. „Wir müssen als Deutsche nach der schrecklichen Geschichte den jüdischen Menschen dankbar sein, dass es heute wieder freundschaftliche Begegnungen gibt“, so Dr. Holzinger weiter. Hierzu gehöre auch der Kontakt zu der Partnerstadt Kiryat Shmona in Galiläa als ein weiteres Zeichen, für ein künftiges friedliches Miteinander.

Katharina Sporer schreibt gerade an ihrer Seminararbeit über die Familie Rosenbaum. Sehr kompetent erläuterte die Schülerin der 11. Jahrgangsstufe vom Stammbaum der Familie, über das Leben und Arbeiten der Rosenbaums in Memmingen bis zu den Vorkommnissen im März 1933, als Wilhelm Rosenbaum in die sogenannte „Schutzhaft“ genommen wurde. „Wenn etwas gewaltiger ist als das Schicksal, so ist es der Mut, der es unerschütterlich trägt“, zitierte Katharina Wilhelm Rosenbaum in ihrem Vortrag.

Als eine „sehr komplizierte und interessante Angelegenheit um die Geschichte“ zitierte Esther Geva eine Äußerung ihrer Tante Elisheva Ramon über ihr Leben in Memmingen und die Auswanderung nach Israel. Ramon ist die noch einzig lebende Tochter der in der Stadt wohnhaften Rosenbaums. Es falle ihr schwer zu schreiben, erläuterte Esther Geva als „Entschuldigung“ für die bald 94 Jahre alte ehemalige Memminger Bürgerin. Sie hätte noch gute Erinnerungen an ihre Schulzeit, sei sie doch mit der deutschen Kultur aufgewachsen. Aber auch die verabscheuungswürdigen antisemitischen Angriffe blieben ihr in Erinnerung. Besonders habe sie es seinerzeit schwer getroffen, als sich ihre beste Freundin von ihr abgewandt habe. Geva schilderte die Ereignisse und Willkürlichkeiten, die ihr Großvater Wilhelm im KZ ausgeliefert war.

„Wir werden diese Erinnerungen immer behalten und können nicht vergessen, aber wir wissen auch, dass Deutschland heute eine Demokratie ist. Wir sehen die Gedenktafel an die Familie Rosenbaum als ein historisches Denkmal für das ehemalige jüdische Leben in der Stadt“, bedankte sich Geva im Namen der Familienangehörigen.

Nach der Enthüllung der Gedenktafel an der Aula des Vöhlin-Gymnasiums trug der Kantor der israelitischen Kultusgemeinde für Augsburg und Schwaben, Nikola David, einen Psalm und das Kaddisch, ein jüdisches Gebet, vor. Der Festakt wurde vom Kammerorchester des Vöhlin-Gymnasiums musikalisch gestaltet.

Bereits am Vormittag hatte Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger die israelischen Gäste im Rathaus der Stadt empfangen. Nach dem Eintrag in das Goldene Buch der Stadt Memmingen schildere der ehemalige Stadtrat Erich Häring in beeindruckenden Worten, wie er seinerzeit in Israel die Familie Rosenbaum ausfindig machte. Eli und Issacher Berman, Esther Geva und Raya Hoffmann waren bereits 1995 anlässlich der großen Gedenkfeier zum 50-jährigen Ende des Zweiten Weltkrieges in der Stadt.

 

Künstler Dettmar mit dem Bild der Memminger Synagoge
Mit dem Bild der ehemaligen Memminger Synagoge am Schweizerberg in der Hand erläuterte der Künstler Alexander Dettmar die Entstehungsgeschichte seiner Werke. Die Ausstellung ist noch bis zum 10. Juni im Antonierhaus zu sehen.
Frau Geva und Herr Bermann schauen in den Ausstellungskatalog
Einen Blick in den Ausstellungskatalog warfen die aus Israel angereisten Nachfahren des jüdischen Käsegroßhändlers Wilhelm Rosenbaum, Esther Geva und Eli Berman.
Beim Eintrag in das Goldene Buch im Rathaus der Stadt Memmingen
Vor der Gedenkfeier im Vöhlin-Gymnasium trugen sich die Ehrengäste aus Israel in das Goldene Buch der Stadt Memmingen ein (v.l.): Eli Berman, Esther Geva, Raya Hoffmann, Stadtrat a. D. Erich Häring mit Ehefrau Hildegard, Issachar Berman (sitzend), Kulturamtsleiter Dr. Hans-Wolfgang Bayer, Bürgermeisterin Margareta Böckh und Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger. „Vielen Dank für eine langjährige Freundschaft. Wir sind heute besonders gerührt über die Einweihung der Ehrentafel“ schrieben Esther Geva und Raya Hoffmann im Anschluss in das Goldene Buch der Stadt.
Die Geschenksübergabe im Rahmen der Gedenkstunde
Ein Präsent aus Isarel übereichten die beiden Schwestern Esther Geva (rechts) und Raya Hoffmann an den Schulleiter des Vöhlin-Gymnasiums, Burkhard Arnold. Links im Bild die Schülerin Katharina Sporer, die zuvor im Rahmen ihrer Seminararbeit über die Familie Rosenbaum referierte.
Bei der Enthüllung der Gedenktafel
Bei der Enthüllung der Gedenktafel für die „Villa Rosenbaum“ an der Aula des Vöhlin-Gymnasiums (v.l.): Der Kantor der israelitischen Kultusgemeinde für Augsburg und Schwaben, Nikola David, der in Anschluss einen Psalm und das Kaddisch, ein jüdisches Gebet, vortrug, Issachar Berman, Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger, Raya Hoffmann (verdeckt), Eli Berman und Esther Geva. Der Text der Tafel lautet: „VILLA ROSENBAUM An dieser Stelle stand bis 1975 das im Jahr 1903 errichtete Wohnhaus des jüdischen Molkereibesitzers Wilhelm Rosenbaum. Im März 1933 wurde er verhaftet und in das KZ Dachau verbracht. Nach der Entlassung konnte er nicht mehr in seine Heimatstadt zurückkehren. Die Familie Rosenbaum wanderte nach Israel aus. Das Haus und die benachbarten Betriebsanlagen wurden im Dezember 1933 unter Zwang verkauft. Okt. 2011“
Nach der Gedenkstunde - Schüler mit den Gästen aus Israel im Gespräch
Nach der Gedenkfeier hatten die Schülerinnen und Schüler der neunten Klasse des Gymnasiums die Gelegenheit, mit den Gästen aus Israel ins Gespräch zu kommen. Fotos: Pressestelle Stadt Memmingen