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„Bertha Weill in die Stadtgeschichte zurückgeholt“

Erstellt von Pressestelle |

Straßenbenennung im Baugebiet Dobelhalde – Gäste aus Israel in der Stadt

 

Esther Geva, Raya Hoffmann, Eli und Issacher Berman, die Großnichten und Großneffen von Bertha Weill kamen aus Israel zur offiziellen Straßenbenennung nach Memmingen. Der Stadtrat hatte im Juni des vergangenen Jahres beschlossen, die Straße nach Bertha Weill zu benennen.

„Es ist uns eine besondere Ehre, mit Esther Geva, Raya Hoffmann, Eli und Issacher Berman Angehörige von Bertha Weill in der Stadt willkommen heißen zu können“, begrüßte Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger die geladenen Ehrengäste zur offiziellen Namensgebung im Baugebiet Dobelhalde.

Bertha Weill wurde am 18. November 1878 in Memmingen geboren und im September 1940 als Euthanasieopfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Brandenburg ermordet.

Der Stadtrat habe, so Dr. Holzinger, im letzten innerstädtischen Wohngebiet eine Straße nach Bertha Weill benannt. Die Initiative ging von der Frauengeschichtswerkstatt e. V., der städtischen Gleichstellungsbeauftragten zusammen mit weiteren engagierten Frauen sowie von den Bündnisgrünen um Herbert Diefenthaler aus. Dr. Holzinger betonte, dass der Staat Israel gerade „keine leichte Zeit habe“ und wünschte den Ländern im Nahen Osten und Israel den notwendigen Frieden.

Nach der Enthüllung des Straßenschildes wurde die neue Straße ökumenisch-interreligiös gesegnet. In der anrührenden Zeremonie sang der Kantor der israelitischen Kultusgemeinde, Nikola David, Psalmen aus dem Alten Testament und Dekan Ludwig Waldmüller und Pfarrer Ralf Matthes sprachen für die christlichen Kirchen.

In der anschließenden ehrenden Gedenkstunde im Rathaus erläuterte Prof. Dr. Michael von Cranach den Ablauf der Euthanasie psychisch kranker Menschen während des Nationalsozialismus. Der ehemalige Ärztliche Direktor des Bezirkskrankenhauses in Kaufbeuren wies auf den Euthanasieerlass Hitlers mit der eigens gegründeten Verwaltung in Berlin, Tiergartenstraße 4 hin. Insgesamt seien im Reichsgebiet über 250 000 Menschen getötet worden, die getöteten Patienten in den in der Kriegszeit besetzten Ländern Osteuropas nicht mit gerechnet.

Bertha Weill war eine von ihnen. Die diagnostizierte manisch depressive Erkrankung wurde in verschiedenen Kliniken behandelt. Im September 1940 wurde sie wie alle jüdischen Patienten nach Eglfing-Haar bei München gebracht. Kurze Zeit später wurde Bertha Weill nach Brandenburg verlegt und unmittelbar nach der Ankunft in die Gaskammer geführt und getötet. „Der Familie teilte man erst im Februar 1941 mit, dass Bertha Weill im Januar in einer Anstalt in Polen verstorben sei“, so von Cranach. Die Sterbemitteilung wurde deswegen hinausgezögert, um von den Angehörigen noch über den Tod hinaus die Verpflegungskosten zu kassieren.

„Ich finde es sehr schön, dass durch die Straßenbenennung Bertha Weill in die Stadtgeschichte zurückgeholt wurde“, so von Cranach zum Abschluss seiner Ausführungen.

Herbert Diefenthaler ergriff als erster Vorsitzender für den Verein „da capo e. V.“ das Wort und zeigte auf, dass die „Erinnerung an das Unrecht in der NS-Zeit“ unverzichtbar sei. Der Verein, welcher Menschen mit psychischen Erkrankungen in Notlagen unterstützt, hatte die Idee, Angehörige von Bertha Weill für eine Feierstunde zu suchen und dankte Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger für die Unterstützung der Stadt.

In einer sehr emotionalen Rede bedankten sich die beiden Brüder Eli und Issacher Berman bei der Stadt: „Eine Straße in Memmingen nach Bertha Weill, der Tante unserer Mütter, zu benennen ist ein wichtiges, historisches Ereignis für unsere Familien, aber auch für die Stadt, in der die Familie Rosenbaum viele Jahr in der kleinen jüdischen Gemeinde gelebt hat“.

Der Besuch der israelischen Gäste ist eingebettet in ein informatives Besuchsprogramm. Neben einer Stadtführung, dem Besuch der jüdischen Abteilung im Stadtmuseum und des jüdischen Friedhofes fanden mehrere Begegnungstreffen mit Mitgliedern der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und Schülerinnen und Schülern des Memminger Vöhlin-Gymnasiums statt.

 

Feierlich wird der Namenszug Bertha Weill enthüllt
Im Baugebiet Dobelhalde wird feierlich das Straßenschild der Bertha-Weill-Straße enthüllt (v.l.): Eli Bermann, Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger, Esther Geva, Raya Hoffmann und Issacher Berman.
Bei der Begrüßung in der Rathaushalle
Bei Begrüßung der israelischen Gäste im Rathaus (v.l.): Esther Geva, Raya Hoffmann, Issacher Berman, Bürgermeister Werner Häring, Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger, Efrat Pan von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Bürgermeisterin Margareta Böckh und Eli Bermann (im Vordergrund).
Die ökumenische-interreligiöse Segnung
Die Erschließungsstraße wird ökumenisch-interreligiös gesegnet. Pfarrer Ralf Matthes, der Kantor der israelitischen Kultusgemeinde, Nikola David, und Dekan Ludwig Waldmüller (von links).
Beim durchschneiden des Eröffnungsbandes
Die Ehrengäste bei der offiziellen „Freigabe“ der Straße.
Prof. Dr. Michael von Cranach
Der ehemalige Ärztliche Direktor des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren, Prof. Dr. Michael von Cranach spricht zur Biografie von Bertha Weill.
Eli Bermann
Eli Bermann bedankt sich für die Einladung und bezeichnet die Straßenbenennung als ein „historisches Ereignis“. Fotos: Birk/Pressestelle Stadt Memmingen