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Stabilität und Zukunft im Wald

Erstellt von Pressestelle |

Auf Memminger Flächen werden Weißtannen gepflanzt – bundesweiter Modellversuch über 25 Jahre

Sie hat so viele Vorteile, dass es schon schwierig ist, nicht ins Schwärmen zu geraten, wenn man von der Weißtanne spricht. „Sie kann locker 400 Jahre alt werden, hat klassisches weißes Nadelholz, das man als Bauholz verwenden kann, sie wurzelt mit ihrer Pfahlwurzel sehr tief und wächst auch im Schatten sehr gut“, zählt Meinhard Süß von der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) auf. Deshalb werden derzeit auf einer Fläche der Unterhospitalstiftung fast 500 Weißtannen gepflanzt: die Hälfte davon aus rumänischen Samen gezogen, die andere Hälfte mit süddeutschen Vorfahren. Die Gegend in Rumänien aus der die Samen stammen, sind durchschnittlich 2 bis 3 Grad wärmer als hier, hat im Winter aber trotzdem regelmäßigen Frost. Deshalb soll untersucht werden, ob Tannen von dort sich mit dem zu erwartenden Klima in unseren Breiten leichter tun, als die heimische Art.

Während ein Landwirt auf seinen Flächen jedes Jahr eine andere Fruchtfolge testen könne, brauche ein naturnaher Waldumbau mehrere Jahrzehnte, führt Forstamtsleiter Stefan Honold aus. „Deshalb müssen wir schon jetzt daran denken, wie unser Wald mit dem Klima in 20 bis 30 Jahren zurechtkommt“, gibt Honold zu bedenken. Vor allem, da der „Brotbaum“ der Allgäuer Wälder, die Fichte, klar zum Verlierer des Klimawandels zähle. Die Fichte solle nicht komplett verdrängt werden, aber mit ihren flachen Wurzeln gerät sie in trockenen warmen Jahren leicht in Trockenstress und wird anfällig für die beiden Fichtenschädlinge Buchdrucker und Kupferstecher. Deshalb soll die Weißtanne ihr in Zukunft verstärkt zur Seite stehen. Sie durchbohre mit ihren tiefen Wurzeln sogar dicke Lehmschichten und hielt so auch stürmischen Winden besser Stand, erzählt der Forstamtsleiter. Beim nachhaltigen Waldumbau setze das Memminger Forstamt neben den Tannen jedoch auch auf Buchen, Ahorn und Eichen. Auch Baumhasel oder Esskastanien habe man schon gepflanzt: alles um die Diversität der Pflanzen zu fördern und den gewünschten Mischwald so gegen Schädlinge und Trockenheit besser zu wappnen.

Schon im Herbst haben die Mitarbeiter des Forstamts die Fläche von 2500 Quadratmetern in einem Fichtenforst bei Holzgünz vorbereitet, damit man diesen Bereich in den nächsten Jahren in Ruhe lassen kann. Die Bäume dort sind alle ungefähr 55 Jahre alt. Um zu sehen, welcher Baum stabil und zukunftsfähig ist, sieht man sich die Krone an, die auf das Wurzelwerk Rückschlüsse gibt. „Diesen Bäumen geben wir mehr Raum, damit sie in Breite und Höhe zulegen können“, erzählt Revierleiter Bernd Schuster. Fichten, die sich in den nächsten Jahren nicht gut weiterentwickeln werden, sind teilweise entnommen worden um Platz zu machen für die zweijährigen Weißtannen. Und um die jungen Pflänzchen auch vor Verbiss zu schützen, wurde die Versuchsfläche von den Forstamtsmitarbeitern mit einem normierten zwei Meter hohen Zaun abgetrennt. 

„Die Weißtanne ist eine ökonomische und ökologische Bereicherung im Wald“, ist sich Süß sicher. Er freue sich sehr, dass man hier in Memmingen eine der 58 deutschlandweiten Beobachtungsflächen anlegen könne. Kommunen seien die besseren Partner für solch langfristige Projekte, da sie die notwendige Sicherheit für einen Modellversuch über 25 Jahre geben können. Gefördert wird das Projekt „Weißtanne 2.0“ über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR), koordiniert vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie der ANW. Und um die wissenschaftliche Begleitung des Projekts kümmert sich die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.

Um die 240 aus rumänischen Samen gezogenen Setzlinge sowie die 240 süddeutschen Weißtannen in zwei ordentlichen Reihen mit vorgegebenem Abstand in den kieshaltigen Lehmboden einzupflanzen, dauert es übrigens mehrere Tage. Johann Tichy, ein erfahrener Forstwirt, nutzt einen Hohlspaten um ein ausreichend tiefes Loch zu graben, damit die empfindlichen Wurzeln sich auch richtig entfalten können und nicht geknickt werden. Den dichten Moosteppich entfernt er rund um den winzigen zweijährigen Setzling, damit dieser der frisch gepflanzten Tanne nicht das Wasser streitig macht. Dann krümelt er die Erde zurück in das Pflanzloch.

Stefan Honold macht klar, dass es viele Jahre brauchen wird, bevor man auf der Fläche die Unterschiede zwischen den Pflanzen sehen kann. „In fünf Jahren gehen die uns vielleicht bis zum Knie“, veranschaulicht er das Wachstum der Tannen. Erst wenn sie ordentlich ins Wurzelwerk investiert hat, wird sie sichtbarer in die Höhe gehen. Gespannt sei er schon, was die Zukunft für die Bäumchen bringe und wie Anpassungsfähig sie seien. Auch welche der drei südbayerischen Anbauflächen mit ihren unterschiedlichen geologischen Ausgangssituationen geeigneter sind, werde interessant sein. „Um erste Rückschlüsse ziehen zu können, sind vielleicht Jahrzehnte nötig, aber Geduld muss man beim Waldbau ja immer haben, das bringt der Beruf so mit sich“, scherzt der Forstamtsleiter.

Die kleinen zweijährigen Setzlinge. (Fotos: Manuela Frieß - Pressestelle der Stadt Memmingen)
Johann Tichy bereitet das Pflanzloch vor.
Bei der Pflanzfläche im Memminger Wald: (von links) Forstwirt Johann Tichy, Revierleiter-Nord Bernd Schuster, 2. Vorsitzender Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft Meinhard Süß und Forstamtsleiter Stefan Honold.
Fertig eingepflanzt übersieht man die kleinen Pflänzchen fast.