Bei akuter Erstickungsgefahr einen künstlichen Luftröhrenschnitt setzen oder bei Schwerstverletzten mit einer Bohrmaschine Infusionen in den Knochen legen - das und weitere Notfalltechniken lernten Teilnehmer aus Süddeutschland, Österreich, der Schweiz und Italien beim 3. Notfallsymposium des Klinikums Memmingen in der Stadthalle, wo sich über 300 Ärzte, Rettungskräfte und Krankenpflegemitarbeiter trafen, um auch künftig eine gut funktionierende Notfallversorgung zu garantieren und unter dem Titel „Notfallgäu" über die neuesten Standards in der Rettung, Versorgung und Therapie zu diskutieren.
„Denn die Notfallpatienten sind auf eine Hand in Hand gehende und reibungslose Hilfeleistung in der Rettungskette angewiesen", betonte der Bayerische Innenminister und Schirmherr des Symposiums, Joachim Herrmann, in seinem Grußwort. „Diese reibungslose Hilfeleistung ist eine große Herausforderung für alle Beteiligten, die jederzeit mit einem Einsatz rechnen und sich darauf einstellen müssen, mit schwierigen Notfallsituationen konfrontiert zu werden."
„Riskieren Sie nichts!"
Sind Rettungskräfte am Einsatzort einem hohen Aggressionspotential ausgesetzt, was laut Referent und Kriminalhauptkommissar Lars Küthe aus Frankfurt am Main immer häufiger vorkommt, gilt Folgendes: „Riskieren Sie nichts! Ihr Leben und Ihre körperliche Unversehrtheit geht vor", betonte in einem Deeskalationstraining beim Symposium der Hohenschwangauer Gesundheitspädagoge Christian Löckher-Hiemer. „Wenn Sie sich unsicher fühlen, rufen Sie die Polizei dazu und warten lieber im Rettungswagen, bis die Streife am Einsatzort eintrifft."
Bei einer aufgeheizten Stimmung kann laut dem Trainer auch hilfreich sein: Ein ruhiges, besonnenes Auftreten, eine feste Stimme, Augenkontakt und „Abstand halten! Ich stelle mich seitlich hin, um meine Lebenslinie zu schützen. Die Hände vor Gesicht und Brust, um im Notfall Angriffe schnell abwehren zu können." Laut Löckher-Hiemer, der auch schon Rettungskräfte des Bayerischen Roten Kreuzes in Memmingen trainiert hat, hat das Aggressionspotential gegenüber Helfern in den vergangenen fünf Jahren um 240 Prozent zugenommen.
Aggressivität am Einsatzort kann laut Kriminalhauptkommissar Küthe vom Rauschgiftkommissariat in Frankfurt auch durch sogenannte „Legal Highs" ausgelöst werden, also Drogen, die im Internet als legale Alternative zu Kokain, Ecstasy, Haschisch oder Marihuana beworben und als Kräutermischungen, Lufterfrischer oder Badesalze angeboten werden: „Die Konsumenten sind oft nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Deswegen ist für die Rettungskräfte wichtig: Eigensicherung beachten." Die psychoaktiven Substanzen wirken auch stimmungsverstärkend: „Mitunter kann es durch eine Einnahme zum Suizid kommen", erklärte Kommissar Küthe. Allerdings gebe es keinen Breitbandtest, um die Einnahme nachzuweisen. „Alkohol riecht man. Aber ob einer unter dem Einfluss von Legal Highs gegen einen Baum gefahren ist, kann man nur schwer nachweisen."
Künstlicher Luftröhrenschnitt
Wie man bei einem Schwerstverletzten einen Luftröhrenschnitt setzt oder einen künstlichen Zugang in die Lunge legt, übten die Symposiumsteilnehmer an Demonstrationspuppen und Tierfleischpräparaten. Rettungsassistent Wolfgang Jaletzky vom Bayerischen Roten Kreuz zeigte, wie man mit einem elektrischen Bohrer Infusionsnadeln in das Schienbein legt:
„Dieser Zugang über den Knochen kann notwendig sein, wenn der Patient beispielsweise an schweren Verbrennungen leidet. Dann bilden sich Schwellungen auf der Haut und ich finde keine geeignete Vene." Dabei gelangt der Infusionsinhalt laut Jaletzky über den Knochen genauso schnell in den Blutkreislauf wie über einen Venenzugang: „Der Knochen ist mit Blutgefäßen durchzogen und saugt wie ein Schwamm die Infusionsflüssigkeit auf."
Wie wichtig Feedback für die Rettungskräfte ist, die oft nicht mitbekommen, was mit den Patienten später in der Klinik passiert, betonte Oberärztin Dr. Tanja Kreutzberger vom Klinikum Ingolstadt: „Fragen Sie deswegen nach, was aus Ihrem Patienten geworden ist. Das bringt Ihnen viel für Ihren Erfahrungsschatz."
Viel Erfahrung mit dem Leid der Angehörigen eines Opfers hat der Münchner Rettungsassistent und Diakon, Dr. phil. Andreas Müller-Cyran: „Überlassen Sie die Angehörigen in ihrem Entsetzen, ihrer Angst und Panik nicht sich selbst." Auch wenn ein Angehöriger am Einsatzort keine Gefühle zeige, heiße das nicht, dass er mit der Situation zurechtkomme: „Im Schock spalten sie ihre Emotionen ab. Können der Leitstelle teilweise nicht einmal mehr sagen, wo sie wohnen."
Vor logistische Herausforderungen stellen die Ärzte verschiedene Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie beispielsweise der Herzinfarkt. „Zeit ist Leben", betonte dazu der Chefarzt der Medizinischen Klinik I am Klinikum Memmingen, Professor Dr. Andreas May. „Die Infarktmortalität in Deutschland ist hoch. Aber vor allem ältere Patienten und Frauen nehmen ihre Beschwerden nicht ernst und rufen zu spät den Notarzt. Denn der Herzinfarkt gilt immer noch als Männerkrankheit"